Reisebericht von Tomoko Kato-Nolden, Fotos Ulrich Rossmann
Eine 20-minütige Fahrt mit der kleinen Fähre vom Hafen Hiroshima (Ujina) brachte uns im Oktober diesen Jahres zur Insel Ninoshima. Dort besuchten wir das Ninoshima-Friedensarchiv. Unser Führer war Herr Kazuo Miyazaki von der „Association of Ninoshima History Volunteer Guides“, der uns am Hafen Gakuen-Sanbashi abholte.
Die militärischen Quarantänestationen wurden am Ende des Chinesisch-Japanischen Krieges in der Nähe des Militärhafens Kure auf der Insel eingerichtet. Sie sollten ansteckenden Krankheiten vorbeugen, die heimkehrende Soldaten aus dem Ausland mitbrachten, und bestanden bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs.
Kriegsgefangenenlager
Im August 1914 trat Japan in den Ersten Weltkrieg ein und kämpfte gegen deutsche Truppen, die in Qingdao (青島), in China stationiert waren. Seit dieser Zeit wurden neben zurückkehrenden japanischen Truppen auch deutsche Soldaten in Quarantäne genommen. Diese wurden ursprünglich als Kriegsgefangene zuerst nach Osaka gebracht. Auf der Insel Ninoshima wurden etwa 540 deutsche Kriegsgefangene aus dem Qingdao-Krieg drei Jahre lang in einem Lager festgehalten. Sie wurden zwischen 1917 und 1919 dorthin verlegt, als das Lager in Osaka geschlossen wurde. Aufgrund der strengen militärischen Geheimhaltung war das Lager von einer Bretterwand umgeben, um zu verhindern, dass man vom Lager vorbeifahrende Kriegsschiffe sehen konnte.
Die deutschen Kriegsgefangenen nahmen während ihrer Zeit auf der Insel an einer Vielzahl von Aktivitäten teil, darunter Kurse für Sprache, Mathematik, Maschinenbau, Bauwesen, Elektrotechnik, Wirtschaft, Recht, Geschichte, Schreibmaschinen-schreiben, Theater und Konzerten. Sie gaben sogar eine Zeitung heraus und organisierten ein freundschaftliches Fußballspiel gegen Studenten der Pädagogischen Hochschule Hiroshima. Die Qualität des Lebens in der Kriegsgefangenschaft scheint ähnlich gewesen zu sein wie in dem Lager in Bando, Shikoku.
Einer der Kriegsgefangenen, Karl Juchheim, wurde einberufen, als er die „ Konditorei Café Juchheim“ im damals deutsches Territorium Qingdao betrieb, und ist heute noch berühmt als der erste, der in Japan Baumkuchen gebacken hat. Es gab auch Männer, die den Japanern beibrachten, wie man Schinken und Würste herstellt. (Wolschke, ケルン、シュトレ)
Im März 1919 fand in der Ausstellungshalle für Produkte der Präfektur Hiroshima (dem heutigen Atombombendom) eine Ausstellung von Produkten statt, die von deutschen Kriegsgefangenen hergestellt worden waren, um die fortschrittliche deutsche Industrietechnik vorzustellen. Auch Baumkuchen und Würstchen wurden ausgestellt und verkauft. Die Ausstellung war sehr gut besucht.
Wer hätte sich damals vorstellen können, dass 26 Jahre und 5 Monate später eine Atombombe auf diesen Ort abgeworfen werden würde?
Unmittelbar nach dem Abwurf der Atombombe
Die Atombombe wurde am 6. August 1945 um 8.15 Uhr abgeworfen. Die Stadt Hiroshima wurde in eine Höllenlandschaft verwandelt.
Ab gegen 10.00 Uhr, also gleich nach dem Abwurf, wurden die Verletzten, die in der Stadt der Bombe ausgesetzt gewesen waren, mit Booten nacheinander auf die Insel Ninoshima transportiert, wobei die Zahl der Verletzten schließlich 10.000 überstieg.
In dem provisorischen Feldlazarett wurden Tag und Nacht verzweifelte Anstrengungen unternommen, um sie unterzubringen, zu behandeln und zu versorgen, aber die meisten von ihnen starben.
Soldaten, meist Minderjährige, des 10. Ausbildungskorps von Heeresschiffen (Army Ship Training Department), begaben sich nach dem Abwurf der Atombombe sofort nach Hiroshima City und schickten viele Betroffenen in die Quarantänestation der Armee auf Ninoshima.
Der Kommandeur der 6165. Akatsuki-Einheit, und andere Militärärzte befahlen den Soldaten, den Überlebenden kein Wasser zu geben. Denn wenn sie Wasser bekämen, würden sie sofort sterben.
Auf der anderen Seite konnten die minderjährigen Soldaten die Bitten um einen Schluck Wasser der Opfer mit schwerster Verbrennung nicht ignorieren, und gaben es ihnen heimlich. Nachdem sie das Wasser getrunken hatten, sahen die Überlebenden der Atombombe für einen Moment erleichtert aus und starben an Ort und Stelle.
Aufgrund des rasanten Anstiegs der Zahl der Todesfälle war eine Feuerbestattung nicht mehr möglich. Die Leichen wurden in Massengräbern auf einem freien Gelände in der Nähe der Pferdequarantänestation vergraben.
Bereits 1947 wurden dort etwa 1.500 Leichen exhumiert, weitere 517 (1971) und schätzungsweise 85 (2004), um sie zu identifizieren.
Letztlich starben auf der Insel zwischen 8.000 und 9.000 Menschen, aber einige überlebten, nachdem sie hier behandelt worden waren. Sunao Tsuboi (1925-2020), ehemaliger Co-Vorsitzender der Vereinigung der Atombombenopfer (Nihon Hidankyo), wurde im Alter von 20 Jahren bei der Bombardierung schwer verletzt, aber er sagte später „Ich wurde in Ninoshima gerettet“. Die Organisation Nihon Hidankyo erhielt am 11.10.2024 den Friedensnobelpreis.
Der Bereich, in dem zahlreiche Überreste der Opfer exhumiert wurden, wurde in einen Park umgewandelt, und der Gedenkhügel ist wunderschön mit Blumen bepflanzt. Als wir den Park besuchten, war gerade ein Freiwilliger dabei, den Park zu pflegen. Er war der Strahlung ausgesetzt, als er gerade einmal 4 Jahre alt war.
Ein kleines Friedensarchiv in einer Ecke des benachbarten Platzes wird ebenfalls von Freiwilligen betrieben, allerdings ohne die Unterstützung der Friedensstadt Hiroshima. Es scheint, als wolle die Stadt Hiroshima die dunkle und traurige Geschichte der Insel vergessen und zögere, die Überreste zu erhalten.
Die „Association of Ninoshima History Volunteer Guides“ wurde 2021 gegründet, um Besucher zu den noch vorhandenen Überresten der Kriegs- und Atombombenschäden auf Ninoshima zu führen und die Wahrheit weiterzugeben.
Kontakt Herr Miyazaki: 082-259-2120 oder 090-10134237